Zeiten ändern sich

BBK/W Atelierhaus Stuttgart, Januar - Februar 2021

 

Johanna Teske beschäftigt sich in ihren Zeichnungen mit historischen Ereignissen, aber auch mit Gegenwärtigem und mit dem Thema der Erinnerung. Dabei spielen Orte und deren Konnotation eine besondere Rolle: Zeiten ändern sich - und mit ihnen die Bedeutung von Orten. Was an einem bestimmten Ort geschah, kann aufgearbeitet und in das kollektive Gedächtnis aufgenommen werden, es kann aber auch in Vergessenheit geraten. Überhaupt hat jeder Mensch persönliche Assoziationen zu einem Ort, die über die historische oder politische Konnotation hinausgehen. Die in dieser Ausstellung zu sehenden Arbeiten zeigen Orte und Szenen des Aufstands, Orte der Erinnerung oder Orte, die mit einem persönlichen Erlebnis verknüpft sind. Darüber hinaus spiegeln sie die Sehnsucht nach besseren Lebensumständen für alle wider und werfen die Frage auf, was Erinnerung an vergangene Kämpfe für jene von heute leisten kann.

 

Die Ideen der Künstlerin und die darauf basierenden Bildinhalte entstammen den Erlebnissen auf Reisen, der Beschäftigung mit Geschichte und aktueller Berichterstattung, aber auch Tagträumen oder Erinnerungsbruchstücken. Vielfach sind die Darstellungen an Abbildungen aus Geschichtsbüchern angelehnt oder enthalten Versatzstücke aus Zeitungsfotos. So zeigt die Bildsprache teils dokumentarischen Charakter, manches Mal aber auch den einer Erzählung oder eines erinnerten, besonderen Moments. Dabei vermag es die Künstlerin, eine große Bandbreite der zeichnerischen Techniken sowie die Farbpalette so auf die Bildinhalte abzustimmen, dass die Stimmung eines Orts oder eines Geschehens beim Betrachten in außerordentlichem Maß spürbar werden.

 

 Die Bleistiftzeichnung „Erinnerung I“ tritt zunächst als reine Naturdarstellung auf. Vor einer das ganze Blatt einnehmender Felswand sind auf der rechten Seite weitere Felsbrocken zu sehen. Zwischen diesen ragt ein Baum empor. Erst auf den zweiten Blick sind im linken Bildteil zwei Figuren zu erkennen. Eine befindet sich in der linken unteren Bildhälfte. Sie trägt einen Rucksack und ist im Begriff eine sich in der Felswand befindende Höhle zu betreten. Die andere ist zentral im Mittelpunkt angesiedelt, sie steht leicht erhöht hinter dem das Bild diagonal in zwei Hälften teilenden Baumstamm und ist etwa ab der Brust in Seitenansicht zu sehen. Sie schaut nach unten und wirkt dabei nachdenklich. Die Zeichnung ist eine von zwei zusammengehörigen Blättern, die der Erinnerung an den Nationalsozialismus gewidmet sind. Diese setzt sich mit dem Widerstand, die zweite mit dem Thema Flucht auseinander. Die Künstlerin besuchte vor einiger Zeit das Elbsandsteingebirge mit seinen zahlreichen Höhlen, die zwischen 1933 und 1945 Widerstandkämpfer*innen als Versteck und Lagerungsort für Verpflegung, aber auch Flugblätter und anderes Material dienten.

 

 Die zweite Zeichnung, "Erinnerung II", hat die Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland zum Thema und bezieht sich auch auf die Region des Elbsandsteingebirges, wo vielen die Flucht nach Tschechien gelang. Auch hier wird die an einen Baumstamm gelehnte Person erst bei genauer Betrachtung sichtbar, ebenso der die Grenze zwischen Tschechien und Deutschland markierende Grenzstein am Fuß des fast mittig im Bild dargestellten Baumes. Die schemenhafte Darstellungsweise sowie das Spiel aus Licht und Schatten, lassen die Personen fast verschwinden, was das Thema der Notwendigkeit des Versteckens und Tarnens unterstreicht.

 

 Auch die Zeichnung „Straße des Lebens“ ist in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft angesiedelt. „Als Straße des Lebens“ wurde der von der roten Armee organisierte Versorgungs- und Evakuierungsweg über den zugefrorenen Ladogasee nach Leningrad während der Blockade der Stadt durch die Wehrmacht 1941-1944 bezeichnet. Langsam und beschwerlich scheint sich der Zug aus schwer beladenen Pferdeschlitten durch die eisige Landschaft zu bewegen. Als Diagonale zerschneidet der die Abbildung in zwei Hälften, die nur Eis und Schnee sowie wolkenbehangenen Himmel zeigen. Himmel und Seeoberfläche weisen dieselbe grau-weiße Farbigkeit auf, so dass die dunkelgrauen, von hinten zu sehenden Pferdegespanne sich stark abheben. Die Farbigkeit des Bildes spiegelt die widrigen Umstände des russischen Winters und die mühsame und oft tödliche Reise über das Eis wider. Längst nicht alle Konvois erreichten das Ziel und die Versorgung reichte nur für einen Teil der eingeschlossenen Bewohner*innen Leningrads aus, weswegen die Straße des Lebens ebenso den Beinamen „Straße des Todes“ trug. So wirken die Gespanne auch ein wenig wie ein Trauerzug. Einzig das leicht gelblich getönte Geschirr des zentral im Mittelpunkt der Darstellung befindlichen Pferdes, scheint ein wenig Licht und damit vielleicht Hoffnung zu vermitteln.

 


 Die beiden Bleistiftskizzen „Euphorie I und II“ führen die Betrachter*innen nun über zwei Jahrzehnte zurück ins Jahr 1917, als die Russische Revolution der alten Herrschaftsordnung im Zarenreich mit all seinem Elend ein Ende bereitete. Das Versprechen einer befreiten Gesellschaft rückte näher. Strukturen der Selbstverwaltung entstanden, Eigentum wurde kollektiviert, die Klassenverhältnisse brachen. Im zu diesem Zeitpunkt noch Petrograd genannten Leningrad sowie auf dem Ankerplatz des der Stadt vorgelagerten Kronstadt gab es regelmäßig Aufläufe verschiedenster Menschen, die die Revolution feierten.

 

 Euphorie II“ zeigt die Menschenmasse auf dem zentralen Ankerplatz vor dem Marinedom. Die Menschen stehen dicht an dicht, sie sind vereinfacht und mit schnellem Strich gezeichnet, so dass der Eindruck eines aufgeregten Treibens noch verstärkt wird. Auch der breite schnelle Strich des Himmels und die diagonalen Verwischungen der Kohle im Bereich des Marinedoms unterstützen eine Atmosphäre der Aufregung.

 

 Doch die Hoffnung und das Versprechen der Russischen Revolution verblassten in ihrem Verlauf zunehmend und mit ihnen die eben beschriebene Euphorie. Bis 1921 regte sich bei unterschiedlichen Revolutionär*innen zunehmend Widerstand gegen den Kurs der Kommunistischen Partei einschließlich der anhaltenden Politik des Kriegskommunismus und der Ausweitung diktatorischer Tendenzen. Ein Beispiel hierfür sind die Ereignisse um den Aufstand von Kronstadt 1921. Das aufständische Kronstadt, welches bisher den Verlauf der Russischen Revolution geprägt hatte, wandte sich nun gegen die Bolschewiki und forderte „Alle Macht den Räten – keine Macht der Partei“. Das Kriegsschiff Petropavlovsk wurde zum Ort des Widerstands. Die Besatzung entwarf eine Resolution mit fünfzehn Punkten und forderte die Umsetzung der ursprünglichen Ziele der Oktoberrevolution. Die Zeichnung „Kriegsschiffe“ bezieht sich auf dieses Ereignis. Abgebildet sind zwei mächtige Kriegsschiffe mit ihren rauchenden Schornsteinen, die im Hafen liegen. Sie sind horizontal mittig auf dem Blatt angelegt. Im Vordergrund rechts steht ein Matrose in Rückenansicht, der über das Wasser zu den Schiffen blickt. Er wirkt wie durchsichtig und dadurch ein wenig gespenstisch, ein Laternenpfahl sowie ein Schiffsmast schimmern durch seine Silhouette hindurch, ebenso eine vor ihm angeordnete, unwirklich wirkende Treppenkonstruktion, die ins Wasser mündet. Durch das geisterhafte Erscheinungsbild könnte man meinen, der Matrose könne beliebig zwischen Schiff und anderen Orten wandeln, er sei Beobachter und Beteiligter zugleich. Gleichzeitig unterstützt dies auch die gespenstische Erscheinungsweise der Kriegsschiffe selbst, die von Menschen besetzt sind und gesteuert werden, aber wie eigenständige, unheilbringende Wesen erscheinen.

 

 Die Kohleskizze „Beben“ zeigt im Vordergrund mehrere Matrosen, im Hintergrund einen in seiner Funktion nicht näher definierbaren Turm, der an seiner Spitze einen Stern trägt. Die Schieflage der vorbeigehenden Männer als auch des Turmes, lassen auf stürmisches Wetter schließen, sowie darauf, dass sich die Matrosen auf einem schwankenden Schiff befinden. Die Art des Auftragens der Kohle unterstützt sowohl den Eindruck des Sturmes als auch die Symbolik des schwankenden Sterns für bewegte Zeiten, eine unsichere Zukunft, Instabilität und eventuellen politischen Umsturz. Durch die vielen, in alle Richtungen verlaufenden linearen Verwischungen wirken vor allem der Turm und der Stern, aber auch die abgebildeten Personen flirrend, zittrig und angreifbar. Des Weiteren entsteht der Eindruck, dass im Sturm Partikel aufgewirbelt werden, die durch die Luft fliegen und zusätzliche Beschädigungen mit sich bringen könnten.

 

 Die Arbeit „Flugblätter“ lässt die Betrachter*innen an die bereits genannten Skizzen Euphorie I und II denken. Zu sehen ist eine Straßenflucht, in der sich unzählige Menschen tummeln. Sie gehen in unterschiedliche Richtungen, verteilen Flugblätter oder nehmen welche entgegen, zudem fliegt das Papier durch die Luft. Doch gibt es hier keine Anlehnung an ein bestimmtes historisches Ereignis. Vielmehr wird hier der Geist der Revolution allgemein beschrieben. So sehen wir hier mehrere revolutionäre Bestrebungen vereint. Auf der rechten Seite des Bildes ist ein Paar zu sehen, dessen Gesichter deutlich zu erkennen sind. Dabei handelt es sich um Alexander Berkman und Emma Goldman, beide Vertreter*innen anarchistischer Ideen und Unterstützer*innen der Russischen Revolution, bis sie das Land 1922 wieder desillusioniert verlassen müssen. Die Frau am unteren Bildrand leicht links von der Mittelachse, könnte als eine Beteiligte des Arabischen Frühlings im Jahr 2011 gelesen werden. Und die Szene, die sich am Ende der Straße abspielt, ist an eine Fotografie der Novemberrevolution 1918/19, aus der die Weimarer Republik hervorging, angelehnt. Die Künstlerin selbst setzt sich mit ins Bild, sie ist in Rückenansicht zu sehen und kommt vom unteren rechten Bildrand her. Emma Goldman reicht ihr ein Flugblatt. Sie ist zugleich Beobachterin als auch Teil der sich hier begegnenden revolutionären Ideen und Bewegungen und somit Teil der Geschichte. Hier lässt sich die eingangs gestellte Frage aufgreifen, inwieweit die Auseinandersetzung mit früheren emanzipatorischen Bewegungen und das Lernen aus ihren Stärken und Schwächen für die politische Arbeit heute befruchtend sein kann.

 

Der zusammen mit Emma Goldman dargestellte Alexander Berkman begegnet den Besucher*innen der Ausstellung mehrmals. So zum Beispiel auf dem Doppelportrait „Fanja und Sascha“ zusammen mit der Anarchosyndikalistin Fanja Baron oder bei „Kropotkins Begräbnis“ auf der gleichnamigen Kohlezeichnung. Als wiederkehrender Protagonist unterstützt die Figur Berkmans die erzählerische Komponente der Kronstadt-Bilder in ihrer Gesamtheit.

 


 Kronstadt I/Fort 2“ zeigt einen Blick auf die vereiste Ostsee und eines der etwa 17 vor Kronstadt liegenden Forts. Auf diesem Bild sehen die Betrachter*innen eine reizvolle Winterlandschaft, das Fort lässt hier nicht in erster Linie an Krieg und Verteidigung denken, sondern fügt sich fast wie eine organisch gewachsene Insel in die Landschaft ein. So wird Kronstadt aus einer anderen, nicht politisch-historischen Perspektive betrachtet und der Ort erhält eine völlig andere Bedeutung.

 

 Auch das Meerstück „Kronstadt Küste“, zeigt eine fast unberührte Landschaft. Die Künstlerin bereiste die Region um St. Petersburg und Kronstadt vor einiger Zeit und machte neben der historischen Recherche auch Ausflüge in die Natur. Vom linken Rand des Bildes fliegen einige Rebhühner aus dem Dünengras auf. Vor dem Hintergrund der Historie Kronstadts bekommt die Arbeit und auch der abgebildete Ort jedoch eine zusätzliche Bedeutung. So sehen wir formal wie inhaltlich eine Strandlandschaft, die Rebhühner deuten aber auch auf die Geschichte der Region hin: Der Vorsitzende des Petrograder Sowjets Alexander Sinowjew schlug nämlich vor, die Aufständischen „abzuknallen, wie die Rebhühner“.

 

 Teils idyllisch, teils bedrückend mutet die Kohlezeichnung „Bootsfahrt“ an. Ein Ruderboot, besetzt mit zwei Personen, gleitet über ein Gewässer, dessen Darstellung an ein Flussdelta in der Nähe von Sankt Petersburg angelehnt ist. Die beiden Personen wirken nachdenklich und melancholisch und scheinen zu schweigen. Bei näherem Hinsehen kann man in der hinten sitzenden Frau die Künstlerin erkennen. Bei ihrer Auseinandersetzung mit den Kronstädter Ereignissen erfuhr sie von den unzähligen beteiligten Menschen, die verschwunden sind und vermutlich irgendwo um Sankt Petersburg in einem Massengrab beerdigt wurden.

 

 Das Blatt (Bootsfahrt) ist im Zusammenhang mit der Zeichnung „Angekommen“ zu betrachten, die das Anlegen eines Bootes mit derselben Besatzung an einem Bootssteg zeigt. Im Hintergrund ist die Silhouette von Kronstadt mit dem Marinedom zu sehen. Die Bootsfahrt als Sinnbild zeichnet den Weg der Geschichte nach, mit dem Ankommen am Bootssteg bringt die Künstlerin die Verschollenen symbolisch zurück nach Hause.

 

 Auf dem Ankerplatz in Kronstadt brennt die „Ewige Flamme der Revolution“, als Denkmal für die Revolution und als Erinnerung an die Ereignisse von Kronstadt. Die gleichnamige Zeichnung beschäftigt sich auf andere Weise mit dem Gedenken. Zur Linken und zur Rechten sind hier alte, verfallene Backsteinbaracken zu sehen. Auf dem Weg zwischen den Gebäuden wächst Gras sowie Gebüsch zwischen den Steinen hervor, Birken umgeben die Baracken und teilweise wachsen Äste oder gar Stämme aus den Fenstern heraus. Die verlassenen Ruinen wirken fast romantisch, Licht fällt zwischen den Bäumen hindurch und taucht alles in ein warmes Licht. Einst bewohnten im Zarenreich Bedienstete oder Matrosen diese Baracken bei Kronstadt. Man sagte, in den Baracken „brodle es“, denn dort trafen viele Menschen aufeinander, die Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Umständen hatten. Innerhalb der Baracken bildeten sich Gruppen, es wurde diskutiert, es entstanden Texte. Somit kann dieser Ort als ein Ort des Widerstands, der kritischen Gedanken und der Entwicklung revolutionärer Ideen gesehen werden. Gerade durch die sichtbaren Spuren der Zeit eignet er sich als Erinnerungsort, an dem Geschichte spürbar wird. Die aus den Fenstern emporwachsenden Birkenzweige können mit Flammen assoziiert werden und somit brennt auch an diesem Ort eine ewige Flamme der Revolution.

 

 Die Weberin“ sitzt in einem engen Raum an ihrem Webstuhl. Der Raum gleicht einem Kasten, die Wände scheinen sich fast auf die Frau und ihr Arbeitsgerät zu zubewegen. Die feine Kohlezeichnung lässt jedes einzelne Detail erkennen, der Faltenwurf ist in altmeisterlicher Manier ausgeführt und der Lichteinfall vermittelt eine gewisse Dramatik. In der unteren linken Bildhälfte türmen sich die gewebten Stoffe. Dass an dieser Stelle der feingliedrige Strich in einen gröberen übergeht und dadurch nicht mehr auszumachen ist, um wieviel Tuch es sich handelt, unterstreicht umso mehr, wie hart die Weberin zu arbeiten hat. Das Gesicht der Frau wirkt resigniert, eine große Erschöpfung ist erkennbar. Die Situation der Weberin verweist auf die Lebens- und Arbeitsumstände während des Zarenreichs und die Notwendigkeit seiner Ablösung und somit der Revolution. Desweitern kann die Darstellung als Sinnbild des Gefangenseins in den eigenen, auf strukturellen Verhältnissen beruhenden, Arbeits- und Lebensumständen und somit der Sehnsucht nach einem besseren Leben und dessen Verwirklichung gesehen werden

 

 Ein das Blatt weitgehend ausfüllendes Rosengewächs in den Farben gelb, rot und grün ist das zentrale Motiv der Zeichnung „Rose von Rojava“, das nun gegenwärtige revolutionäre Bestrebungen zum Thema hat. Im Hintergrund sind stark beschädigte Gebäude zu sehen, die im Gegensatz zu der Blume grau in grau mit Bleistift gezeichnet ist. Als Vorlage für die Ansicht der Häuser diente ein Zeitungsfoto des von der islamischen Terrororganisation Islamischer Staat angegriffenen Kantons Kobâne in der selbstverwalteten Region Rojava. Die Rose im Vordergrund blüht teilweise in voller Pracht, teilweise hat sie aber bereits Blätter verloren, die auf dem Boden liegen. Somit kann sie als Sinnbild der Trauer, aber auch der Hoffnung und des Widerstands gesehen werden.

 


 Das Triptychon Heidelandschaft“ und das Aquarell „Kleines weißes Pferd/Picos de Europe“ bilden in mehrerlei Hinsicht einen Kontrast zu den Zeichnungen, die sich auf historische Ereignisse oder auf die Erinnerung an diese beziehen. Nicht nur in der Farbigkeit beider Bilder, sondern auch im Auftrag der Aquarellfarbe sind Unterschiede zu erkennen. „Kleines weißes Pferd“ zeigt eine Gebirgslandschaft, deren Mächtigkeit durch den flächigen Farbauftrag unterstützt wird und die dennoch durch die Farbigkeit und das Durchscheinen des weißen Papiers luftig und einladend wirkt. Das im rechten Bildteil auf der Kuppe stehende Pferd wirkt, als würde es die Betrachter*innen einladen, mit ihm zusammen zu erkunden, was es hinter der Bergkuppe zu entdecken gibt. Im Gegensatz zur es umgebenden Landschaft ist das Tier mit feinem Strich gezeichnet und hebt sich dadurch deutlich ab. Die Künstlerin ist diesem Pferd tatsächlich auf einer Reise durch den Norden Spaniens begegnet, die Arbeit entstand auf Basis der Erinnerung an diese Begebenheit. Das Triptychon „Heidelandschaft“ führt die Betrachter*innen auf die nordfriesische Insel Amrum. Das violett blühende Heidekraut wechselt sich ab mit Bäumen, Büschen und Dünengras. Vom linken zum rechten Teil des Triptychons wird die Landschaft karger, zudem ist links die Heide gänzlich unberührt, auf dem mittleren Blatt ist ein fast bis zum Horizont führender Holzsteg zu sehen, von dem in der rechten unteren Ecke des Bildes ein weiterer Steg abzweigt, der schließlich auf dem rechten Blatt fortgeführt wird. Darauf gehen in der Ferne zwei Personen spazieren. Auch in dieser Arbeit wird die Aquarellfarbe zur Darstellung der weiter in der Ferne liegenden Dünen flächig, weniger zeichnerisch und teilweise durchscheinend aufgetragen, während Flora und Fauna (im Mittelteil sind zwei Fasane zu sehen) im Vordergrund so wie die beiden Personen mit Buntstift detailreicher und feiner gezeichnet sind. Auch diese Arbeit ist den Erinnerungen der Künstlerin an eine Reise auf die Nordseeinsel entsprungen. In diesen eben beschriebenen Arbeiten kommt also nicht die Erinnerung an Personen oder historische Ereignisse zum Tragen, sondern die an persönliche Erlebnisse auf Reisen und individuelle Orte, die Kraft geben. Kraft, die auch für den Kampf für ein gutes Leben aller notwendig ist.

 


Bettina Göpferich, Kunsthistorikerin M.A.